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„Ich bin froh, wenn ich die Türen Ende April zuschließen werde…“

| Nicole M. Pfeffer | Blog

Sagte in der letzten Woche ein Handwerksunternehmer zu mir und ging dann ans klingelnde Telefon.

Wir hatten einen Beratungstermin angesetzt, in dem es um das Auslaufen verschiedener Marketingaktionen ging und ein Coaching seines Sohnes, der sich mit einem IT Unternehmen vor vier Monaten selbständig gemacht hatte.

Mir lief es kalt den Rücken runter. Als ich so da saß am Konferenztisch aus Massivholz und ich mir die Frage stellte: Wie viele Handwerksunternehmer denken und handeln genauso, nur keiner bekommt es mit?

Wie viel soziale und regionale Stärkung, wie viel Know how und wie viel Innovationskraft geht auf diese Weise verloren?

Ist der Schaden, gerade im ländlichen Raum nicht so unfassbar groß, dass wir hier laut aufschreien müssten?

Das Telefonat ist zu Ende und mein Kunde verhält sich, als ob nichts gewesen wäre.
Ich fasse allen Mut zusammen und stelle die Frage, wieso er so mutlos und so resigniert sei?

Aus seiner Sicht ist er weder mutlos noch resigniert. Er hat einfach nur mit dem Leben als Unternehmer abgeschlossen. Nicht nur er, sondern gemeinsam mit seiner Frau.

Jetzt da er wüsste, dass sein Sohn seinen Weg eingeschlagen hat, ist er beruhigt. Für ihn wäre es lieber gewesen, wenn er irgendwo bei der Kommune oder im Landratsamt einen Job begonnen hätte, doch so versucht er jetzt sein Glück als Unternehmer.

Mein Kunde berichtete von einem Gespräch mit seinem Sohn im letzten Jahr, als er mit der Idee des eigenen IT Unternehmens auf ihn zugekommen war und er ihn fragte, ob er denn nichts aus dem aktuellen Alltag seines Vaters gelernt hätte?

Wie oft haben wir gemeinsame, private Termine am Wochenende nicht einhalten können, weil mal wieder irgendeine Dokumentation oder Informationspflicht mit einer Frist belegt war, die leider nicht viel im Voraus vorbereitet werden konnte, aber noch eingereicht werden musste. Wie oft hatte er sich mit dem Finanzamt wegen der Corona Hilfen, Steuerberechnungen oder ähnlichem rumgeärgert, und dabei meist den Kürzeren gezogen, weil sich mitten im Prozess ein Paragraph oder eine Bestimmung geändert hatte.

Wie oft habe er in den letzten 2 Jahren geschimpft, auf den Tisch gehauen oder saß einfach nur frustriert an seinem Schreibtisch bis tief in die Nacht.

Sein Sohn antwortete, dass er seinen Vater anders kennengelernt hatte. Er kann sich noch als kleiner Junge daran erinnern, als der Vater voller Stolz seiner Familie die Urkunde der ersten Markeneintragung, bescheinigt durch das Marken- und Patentamt, erhalten und gezeigt hatte. Wenn er in den Ferien sein Taschengeld im Unternehmen seines Vaters aufbessern durfte und hier von den Azubis angeleitet wurde. Kaum älter als er selbst, doch mit eigener Firmenkleidung und unterwegs im Team. Er erinnerte sich daran, wie der erste Anbau der Firma bewilligt worden war und sein Vater mit ihm die Baupläne an einem Sonntag durchgegangen war. Immerhin müsste er hier ja auch Erfahrungen sammeln, denn Immobilien-, Gewerbe- oder Industriebauten würden irgendwann auch mal auf ihn zukommen, erklärte der Vater damals. Er fühlte sich groß und unendlich dankbar, dass sein Vater ihn hier mit eingezogen hatte.

Und viele solcher Anekdoten hatte der Sohn für seinen Vater parat.

Doch die Worte am Ende seiner Begründung hatten den Vater berührt:
„Du hast mich gelehrt, optimistisch und positiv zu sein. Du hast mir beigebracht, dass es sich lohnt, für seine Wünsche und Träume zu kämpfen, die auch immer Mehrwert für unsere Familie und Umfeld sein müssten. Und du hast mir immer wieder vorgelebt, dass jeder kleine Schritt ein Schritt zum Ziel ist. Nur weil du deine Ziele und Träume alle erreicht hast und für dich die Welt in eine neue Lebensphase mündet, muss ich doch nicht meine Einstellung von Mut und Optimismus auf Angst und Resignation stellen.“

Sein Sohn hatte einen optimistischen Weg darin gefunden, als ITler dem Bürokratiewahnsinn entgegen zu wirken und die Welt in seinem Umfeld ein bisschen besser zu machen. Genau diese positive Sichtweise und Haltung bewundert mein Kunde heute an seinem Sohn.

Was wäre nur gewesen, wenn sein Sohn 20 Jahre später zur Welt gekommen wäre und nicht diese positive Grundhaltung von seinem Vater hätte erleben und verinnerlichen können.

Umgestimmt hat dies meinen Kunden nicht, sein Geschäft noch etwas weiter zu führen und vielleicht an einen Nachfolger zu übergeben. Um sein Team hat er sich schon gekümmert und die Immobilie und das Grundstück als solches, wird durch seinen Sohn für die neue Firma genutzt. Wahrlich nicht alle Räumlichkeiten, doch die der Organisation.

Ich habe noch zwei Termine dort bevor es dann auch für mich heißt, Abschied nehmen von einem tollen Handwerksunternehmer. Ein Mensch, der stets die Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen im Fokus hatte. Der sich in Vereinen und als Experte für die Stadt eingebracht hat und dem es immer wichtig war, Familie, Unternehmen und sein Umfeld im Einklang zu wissen. Er hat anderen Menschen, meist jungen, eine Chance gegeben, wo die größeren Firmen abgelehnt haben. Er war dann mit Ratschlägen zur Seite, wenn ihn einer aus dem Fußballverein oder aus befreundeten Unternehmen gefragt hat. Er war da – nie laut und sichtbar, aber immer verlässlich bei denen, die um ihn wussten.

Wie viel Wegfall solcher Menschen verkraftet ein Land wie Deutschland, verkraftet der Ländliche Raum?

Ich weiß es nicht.

Sollten wir in unserer Unternehmenswelt nicht endlich wieder auf Mut und Optimismus stellen, egal wie die Rahmenbedingungen der Politik aussehen und für uns das Beste machen?

Ich weiß es nicht.

Doch ein Versuch wäre es wert.

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