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„Ich bin froh, wenn ich die Türen Ende April zuschließen werde…“

Sagte in der letzten Woche ein Handwerksunternehmer zu mir und ging dann ans klingelnde Telefon.

Wir hatten einen Beratungstermin angesetzt, in dem es um das Auslaufen verschiedener Marketingaktionen ging und ein Coaching seines Sohnes, der sich mit einem IT Unternehmen vor vier Monaten selbständig gemacht hatte.

Mir lief es kalt den Rücken runter. Als ich so da saß am Konferenztisch aus Massivholz und ich mir die Frage stellte: Wie viele Handwerksunternehmer denken und handeln genauso, nur keiner bekommt es mit?

Wie viel soziale und regionale Stärkung, wie viel Know how und wie viel Innovationskraft geht auf diese Weise verloren?

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Waren wir als Eltern, Tanten und Onkel die falschen Vorbilder?

Nach einem Gespräch mit meiner 18-jährigen Nichte…

Vor 3 Monaten ist sie bei uns für ein Jahr eingezogen.

Seither koche ich zu jeder Mahlzeit auch immer ein vegetarisches Gericht, decke 4 Plätze am Esstisch ein und befasse mich mit Kokosmilch, Veggie-Salami und sündhaft teurer Proteinshakes.
Ich habe meinen Kleiderschrank ausgemistet und meine Kleidung, die teilweise noch fast neu war, zur Übergabe angeboten, denn secound hand ist bis auf Unterwäsche ein Muss.

Mir fällt seit dem ersten Tag auf, wie viele Regeln und Strukturhilfen wir im Haushalt haben, um den Alltag möglichst effizient zu gestalten. Egal ob das Einräumen der Spülmaschine aufblitzt, um Ein- und Ausräumzeiten zu optimieren oder das Einsortieren in den Vorratsschrank gemeint ist, alles hat seinen Platz und wehe es ist anders.
Dabei habe ich mir in den letzten Wochen oftmals die Frage gestellt: Ist diese „Regel“ wirklich lebensnotwendig?

Und oftmals lautete sie ja. Ja, weil kein Essen schlecht wird, weil das Neuste immer nach hinten kommt, weil ich auf einen Blick sehe was fehlt und somit der Bestand immer vollzählig ist.

Zusammenleben – nach 3 Monaten – bislang Fehlanzeige. Vielmehr ist es „ein sich arrangieren“ und nebeneinander herleben. Bei einer 20-Stunden-Woche ihrerseits sind die gemeinsamen Zeiten, wenn das eigene Büro von mir mit im Privathaus ist doch größer als gedacht.

Am Sonntag kam es dann, wie es kommen musste, es gab ein Lebensmodell-Grundsatz Gespräch zwischen ihr und mir nach dem Mittagessen.

Es war ein Schlagabtausch der Argumente der eigenen Lebensweise. Wir würden viel zu viel Fleisch essen und damit nachhaltig der Umwelt und dem Klima schaden. Im Gegenzug konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen, dass man mit einer 20-Stunden-Arbeit nicht wirklich dazu kommt, sich etwas aufzubauen. Leistung scheint nicht mehr relevant zu sein.
Ich glaube die ersten 10 Minuten galten nur der Situationsbereinigung um wertfrei ans Eingemachte zu kommen.

Ich stellte die Frage:
Wie stellst du dir ein Leben vor? Wie sieht deine Zukunft mal aus? Was willst du in 20 Jahren erreicht haben?

Die Antwort verblüffte mich: „Ich möchte ein großes Haus haben und etwas in meinem beruflichen Umfeld bewirken können. Doch ich habe keine Ahnung wie ich dahin komme und dies erreichen kann!“

Ich konnte mir dann die satirische Nachfrage nicht verkneifen, wie sie denn mit 20-Stunden pro Woche ein großes Haus finanzieren will?

Ihre Antwort: Ich habe noch nicht den Punkt erlebt, in dem meine Leidenschaft beruflich überschwänglich wird und ich damit weiß, da möchte ich mehr arbeiten. Also muss ich mir irgendwann wohl einen Zweitjob suchen, denn einfach nur die Stunden erhöhen würde sie ausbeuten und fertig machen. Sie müsse zuerst an sich denken und wenn jeder an sich denkt, ist jedem geholfen. Wenn es ihr gut geht, kann sie bewegen.

Ich war ein zweites Mal verblüfft und musste nachhaken: Wenn dir der Job gerade (sie ist Trainee für Nachhaltigkeit und besetzt eine neu geschaffene Stelle in einem 100-Mitarbeiter großen Mittelstandsunternehmen der Gärtnereibranche) keinen Spaß macht, warum tust du ihn dann? Du hast in viele Bereiche übergreifend Einblicke, da ist nichts für dich dabei?

Und dann war ich ein drittes Mal verblüfft: Die Bereiche sind klasse, doch sie kann aufgrund der fehlenden Praxis und der fehlenden Position nicht die Veränderungen herbeiführen, die sie für sinnvoll halten würde. Ihr fehlt die Macht dazu!

Das hat gesessen. Die GenZ will Macht zur Veränderung.

Es folgten Fragen wie „Weißt du denn, wie du Macht erhält? Weißt du, wo deine Leidenschaft liegt? Hast du schon mal von deinem Ziel aus dein Leben rückwärts definiert?“

Eine überforderte und hilflose 18-Jährige saß mir gegenüber und sagte, genau das wolle sie ja aktuell alles herausfinden, sie wolle sich nur nicht in dieser Phase kaputt arbeiten, da es ihr schaden würde.

Auf meine Frage, ob sie glaubt Antworten in einer 20-Stunden-Woche zu erhalten sagte sie nur: Ich habe bei meiner Mum und meinem Vater gesehen, dass sie zwar ihren Job lieben, doch sich dafür kaputt gemacht haben. Mein Vater sagte zu mir und meinem Bruder immer: Werdet bloß nie Maurer! Und in unserer Kindheit haben wir ihn nur selten gesehen, denn er war stets arbeiten. Und bei unserer Mutter das Gleiche.

Und da lag nun des Pudels Kern:
Wir als Eltern, Tanten und Onkel haben das Selbstverständliches nicht an unseren Nachwuchs kommuniziert und spüren lassen:
Wenn wir mal wieder irgendetwas beruflich gerockt haben, über unsere Grenzen gegangen sind und müde auf der Couch saßen, haben wir nur das Negative aufgezählt, statt auch mal zu kommunizieren, dass wir stolz und glücklich sind, das heute geschafft zu haben. Der Alltag ist für uns zu selbstverständlich und das Positive unseres Jobs zu normal. Wir kommunizieren viel mehr, wenn etwas schlecht war oder misslungen ist und geben zu oft das Gefühl, dass wir damit unser Leben opfern.

Ich stellte ihr die Frage, wie sie dies bei meinem Herzensmann und mir wahrnehmen würde und hier kam überraschend die Antwort: Ihr lebt eure Leidenschaften.

Es folgten – wie sollte es anders sein – ein paar aus meiner Sicht wertvolle Tipps, wie sie ihre eigene Misere „Die Findung der eigenen Leidenschaft und die Erreichung der eigenen Ziele“ meistern könne. Spannend in diesem Austausch war auch, dass plötzlich der eigene 20-Stunden-Job Optionen bereithielt, die sie bislang nicht gesehen und genutzt hatte. Und das das Bekenntnis ohne Bedrängnis benannt wurde, dass das aktuelle Unternehmen ein Vorbildunternehmen für sie sei, dass an allen Ecken und Enden die Nachhaltigkeit aufgreift und leben will.

Mein Fazit:
Die GenZ ist klar und wissentlich kommuniziert egoistisch und ist bereit ihr Leben für die eigene Work-Life-Balance auch auf Kosten der eigenen Eltern oder Dritten zu leben, solange die es zulassen. Doch sie haben auch Wünsche und Ziele, die mit unseren teilweise identisch sind. Sie wollen das Negative und Schlechte der Generation ihrer Eltern nicht erleben und wollen Verantwortung und Macht für die Zukunft unseres Planeten übernehmen. Die GenZ hat vielleicht zu selten die Vorteile und das Positive von Leistung und Engagement erfahren, zu selten die Vorzüge eines leidenschaftlichen Jobs erfahren und ist auf der beruflichen Suche von der älteren, erfahrenen Generation im Stich gelassen worden.

Lassen wir das bei der nächsten Generation bitte nicht zu. Unterstützen wir mit positiver Kommunikation über das was wir beruflich tun. Stärken wir, indem wir Erlebnisse für den Nachwuchs in Unternehmen und Institutionen schaffen und somit ein Ausprobieren und Erleben stattfinden kann. Und auch zu Hause über diese Erlebnisse sprechen. Denn nur so, wird der Begriff Leistung wieder positiv besetzt und achtsam mit Engagement eingesetzt.

Ich bin froh, dass ich die Chance habe, noch einmal Vorbild für das berufliche Leben der eigenen Leidenschaft zu sein und damit – vielleicht – Impulse für ein glückliches Leben eines jungen Menschen geben darf.

Quelle Bild: Karsten Winegeart @unsplash.com

 

Nicole M. Pfeffer, GenZ, Vorbildfunktion, Leistung

Wenn uns die Azubis ausgehen - Nur 190 in diesem Ausbildungsherbst 2023!

NUR 190 (!) junge Menschen haben sich zum Ausbildungsstart 2023 für den Beruf des Metzgers/Fleischers entschieden und sind gestartet.

Gerne möchte ich heute die Chance nutzen, diese Zahl in Bezug zu setzen.
Aktuell gab es in 2022 2.833 Betriebe und 1.704 Filialen in der Fleischerei Branche in Bayern.

In Deutschland gibt es insgesamt 10.355 Fleischer-Fachgeschäfte und 6.813 handwerklich betriebene Filialen.

Jeder 15. (!) Betrieb in Bayern hat damit einen Azubi zum Metzger/Fleischer.

Die Ausbildung dauert im Regelfall 3 Jahre. Überwiegend haben die kleinen und mittelständischen Betriebe nur einen Azubi und keine 2, 3 oder mehr parallel – ausgenommen die Großfleischereien wie Wilhelm Brandenburg der REWE Group zugehörig.

Wo soll das hinführen? Bereits heute gibt es Kommunen mit 5.000 Einwohnern, die über keinen Fleischer mehr verfügen. Ist dies eine Folge der Diskussion, ob Fleisch essen zunehmend gesellschaftlich zum Makel wird? Ist es dem geschuldet, dass viele Menschen in der Gesellschaft denken, dass man als Fleischer/Metzger „nur Tiere schlachtet“ Wurst herstellt und Fleischteile ausbeint?

Dabei ist der moderne Fleischer weit mehr als nur das. Eine gut gehende Fleischerei hat heute ein breites Sortiment. Sie bietet neben verschiedenen Fleisch- und Wurstarten, meist auch ein Käsesortiment in der Auslage an. Selbstgemachte Salate – gerne auch vegetarisch – oder Wurstersatzprodukte für Veganer oder Vegetarier sind heute fast schon selbstverständlich. Caterings und Teilnahmen an Festen und Märkten gehören zum Standard Repertoire. Doch was darüber hinaus vergessen wird: Der Fleischer vor Ort weiß um die Qualität des Fleisches. Er hat meist noch den Bezug zu den lebenden Tieren und kann genau einschätzen und bewerten, ob es sich um gesundes und qualitatives Fleisch handelt.

Und sind wir ehrlich, gegessen wird immer – auch wenn wir heute noch nicht wissen, wie morgen unsere Nahrungsmittel aussehen, woher sie kommen, wie sie entstehen.

Doch deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass wir eine ganze Branche verteufeln. Dass sich junge Menschen für diese nicht mehr interessieren dürfen und dass diese, eine Schlechte ist.

Wieso lassen wir zu, dass Qualität in einem so wichtigen Bereich schwindet? Wo es doch um unsere Ernährung geht.

Denn wie sagte einst Alfons Schuhbeck schon:
„Wenn nix Guates eini kimmt, kann auch nix Guates aussi kimmi!“

Quelle: Bundesagentur für Arbeit

Zukunftsmacher Handwerk, Metzger

NEW WORK IM HANDWERK – EINE BRANCHE GEHT MUTIG VORAN UND KEINER BEMERKT‘S!

Der Gedanke an New Work ruft oftmals Bilder von Bürokomplexen mit Tischkicker-Ecken und Großraumbüros mit einzelnen Meeting Areas und Begegnungskabinen hervor. Neue Arbeitszeitmodelle, Mobil- oder Home-Office aber auch Feel Good Manager fallen ebenso in die gesellschaftsfähige New Work Debatte. Demnach hätte das Handwerk keine Chance, Teil der aktuellen Diskussion zu sein. Doch wie sieht die Realität wirklich aus?

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Zukunft braucht Herkunft! Zukunftsmacher Handwerk.

In der heutigen Zeit gehen junge Menschen nicht selten nach ihrer Schullaufbahn erst einmal ein Jahr ins Ausland. Um neue Eindrücke zu sammeln, eine Sprache zu erlernen oder um sich selbst zu finden. Dies ist eigentlich keine neue Erfindung.
Letzte Woche bin ich in Miltenberg einer „Fremden“ der Schreinerei Zunft begegnet. „Fremde“, weil die Wanderzeit, auch Walz genannt, nach dem Freispruch zum Gesellen erfolgt und für diese Zeit der Nachname abgelegt und durch „die fremde/der fremde“ ersetzt wird.

Wir sind ins Gespräch gekommen und sie berichtete darüber, was sie zum Handwerk bewogen hat, wieso ihr die Walz so wichtig ist und was sie auch bis dato erlebt hatte. Man bemerkte die Begeisterung für das Handwerk und die Sehnsucht, bei Handwerkskollegen reinzuschauen und zu lernen. Sich fremden Regionen zu öffnen und auch in ein anderes Land zu gehen. Für sie ist die Walz selbstverständlich und sie sieht es als Bereicherung an.
Sie hatte nur ein kleines Bündel dabei, ohne Auto und ohne große Annehmlichkeiten.

Viele junge Menschen suchen nach dem Sinn, nach der Nachhaltigkeit und nach dem Nutzen für ihre Leben und unsere Gesellschaft.

Das Handwerk gibt eine solche Heimat und Sinnstiftung. Es bietet viel mehr Möglichkeiten, sich und seine Potenziale auszuleben und dabei innovativ und kreativ zu agieren.

Die Begegnung mit „der Fremden“ hat mir einmal mehr gezeigt, wie trotz aller Entwicklungen und Innovationskraft im Handwerk die Bodenständigkeit präsent ist. Und es zeigt einmal mehr wie vielfältig das Handwerk ist.

Die Begegnung hat mich nachhaltig berührt – vielen Dank dafür.

Eure
Nicole M. Pfeffer
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